Filiale Walde (AG)

Anfangs 1900 hatte die Armut im oberen Ruedertal (Gemeinde Schmiedrued, AG) die Bevölkerung besonders hart getroffen. Es gab damals fast nur Landwirte, die einen kleinen Nebenerwerb hatten, wie z.B. einen Webstuhl von Bally. Die Lage war sehr angespannt und es musste daher etwas unternommen werden. Es gab zwar vom Rehhag bis Schmiedrued einige Sägereien, Schreinereien, Schmiede und Restaurants. Sogar einige Zigarrenhersteller gab es, doch das waren immer noch viel zu wenige Arbeitsplätze für das obere Ruedertal. Nur in Walde gab es eine grosse Weberei (heutige alte Mühle), die hatten Arbeit für ungefähr 30-50 Personen.

Wie Adolf Michel den Kontakt zum Ruedertal knüpfen konnte oder umgekehrt, ist nicht genau bekannt. Es ist möglich, dass der Kontakt über einen Herrn Walter Häfeli, ursprünglich aus Schmiedrued und damals Buchhalter in Bettlach, entstanden ist. Eine andere Möglichkeit könnte Rudolf Dätwyler gewesen sein , welcher Holzwanduhren gebaut und auch verkauft hatte. Die Uhrenwerke (Rohwerke) bezog Rudolf von der Uhrenfabrik Adolf Michel aus Grenchen. Diese Uhrwerke waren aber sehr teuer. Da immer mehr Wanduhren verkauft wurden, kamen einige Schiltwalder auf den Gedanken ob man nicht auch eine Uhrenfabrik im Schiltwald bauen könnte, zumal die Schiltwalder sehr begabte und fleissige Leute waren. 

Der damalige Gemeindeammann (Albert Hunziker vom Chröschhof ) war der Meinung, jetzt müsste man etwas unter nehmen und so gelangten sie mit ihrer Idee an den Adolf Michel in Grenchen. Dieser nahm daraufhin Verhandlungen mit dem Gemeinderat von Schmiedrued auf.

Adolf Michel verlangte jedoch die Erfüllung folgende Bedingungen vom Gemeinderat: Kostenlos Bauland, Strom- und Wasseranschluss sowie ein Fabrikgebäude. Michel selber war für die Maschinen, das Wissen und den Betriebsleiter besorgt. Als alles geklärt war, wurde eine Baukommission gegründet.

Auf Initiative des Gemeindeammanns Albert Hunziker wurde eine „Fabrikgenossenschaft“ gegründet, welche das Fabrikgebäude vorerst finanzierte. Am 2. Mai 1914 wurde der Kaufvertrag für das Grundstück zwischen Alfred Brunner und Adolf Michel abgeschlossen und am 21. Juli beglaubigt, mit der Bedingung, weiteren Boden zur Vergrösserung der Fabrik zum gleichen Preis erwerben zu können. Mittlerweile ging auch das Fabrikgebäude in den Besitz von Adolf Michel über. 1914 wurde die neue Uhrenfabrik unter dem 36 jährigen Betriebsleiter Adrian-Othmar Michel-Friedrich, Sohn des Halbbruders Friedrich, in Betrieb genommen. Nach dem Streik von 1914 verlegte Adolf Michel die Roskopfwerk-Fabrikation nach Walde, in eine Region, welche wohl etwas weniger streikanfällig war. Fritz Kirchhofer, der erste Leiter dieser Produktion in Grenchen, wurde für die Einrichtung der Fabrik nach Walde geschickt.

001-Paps und Gotti 1914
Fabrik in Walde 1914, links Adrian Christian Michel (*1912) und rechts Martha Hermine Michel (*1906) [Foto von Adrian Michel]

Ansicht Fabrik Nord-Nord-Ost
Ansicht Nord-Nord-Ost [Foto Adrian Michel]
Die Fabrik bot rund 30 Mitarbeitern eine Arbeitsstelle.

 

Fabrik Michel innen 1913

Mitarbeiter von Walde während ihrer Ausbildung 1914 am Hauptsitz in Grenchen                        [Foto: Adrian Michel]. Dieses Foto zeigt eindrücklich, wie stark mechanisiert und serienmässig produziert wurde.

Die neuen Mitarbeiter aus dem Schiltwald und Umgebung mussten zuerst ihr Handwerk erlernen und so wurden sie nach Grenchen in den Hauptbetrieb gesandt. Ihr ganzer Aufenthalt spielte sich in der Werkstatt ab. Man arbeitete und schlief am selben Ort.

Firmenschliessung 1914
Telegramm vom 2. August 1914 [Adrian Michel]
Doch bereits am 2. August 1914 kam ein Telegramm aus Grenchen via Gontenschwil nach Walde mit der Aufforderung „Firma schliessen“. Kurz vorher war der erste Weltkrieg ausgebrochen! Adolf Michel befürchtete wohl grosse Umsatzeinbrüche. Aber wenig später wurde der Betrieb wieder aufgenommen, was aus der grossen Bautätigkeit in Grenchen zu schliessen ist. 

Im Jahr 1915 schloss Adolf Michel mit Alfred Brunner noch einen Vertrag zum Bezug von Wasser. Für dieses Hahnenrecht bezahlte Adolf Michel eine einmalige Entschädigung von 100 Franken.

Das nachstehende Controllheft von Ad. Michel von 1912 zeigt exemplarisch, welche Pflichten damals zu erfüllen waren. Es zeigt auch auf, dass Ad. Michel 1912 noch eine reine Ebauches-Fabrik war.

Fabrikordnung von A. Michel von 1912 [Adrian Michel]

Nach dem Ende des ersten Weltkrieges war die Arbeit so knapp, dass der Betrieb wiederum vorübergehend geschlossen werden musste. Adrian-Othmar Michel arbeitete aber mit einer bescheidenen Mitarbeiterzahl weiter. In der Agenda von 1918 findet man mehr Einträge über Brennholzkauf, denn über andere Geschäftstätigkeiten. Etwa den Eintrag, dass Albert Brunner am 29. Juli einen Unfall erlitten hatte oder dass „Papa Michel“ (Adolf Michel aus Grenchen) dem Werk in Walde am 4. September einen Besuch abstattete. In den Agenden ab 1919 findet man nicht viele Einträge.  

1920, nach Jahren mit stetigen Umsatzsteigerungen, kam es unter den Aktionären in Grenchen zu Unstimmigkeiten über die Geschäftstätigkeit. Adolf Michel „Sohn“ schied aus der Firma in Grenchen aus und übernahm die Division „Favoris“ und damit auch das Werk in Walde. Die Gebäulichkeiten blieben aber im Besitze von Adolf Michel „Vater“. Noch 1920 hatte Adolf Michel Junior grosse Pläne. Unter ihm sollte die Fabrik auf 200 Arbeitsplätze vergrössert werden.

Brief Favoris Watch_1920_02
Schreiben der Favoris Watch Co. S.A. in Grenchen an den Gemeinderat von Walde [Adrian Michel]
Adrian-Othmar Michel glaubte nicht, dass die erforderliche Anzahl an zusätzlichen Mitarbeitern zu rekrutieren wären und so wurde auf eine Erweiterung des Betriebes verzichtet. 

Brief Favoris Watch_1920_01
Schreiben der Favoris Watch Co. S.A. in Grenchen an den Gemeinderat von Walde              [Adrian Michel]
1921 begann die nächste Uhrenkrise. Dadurch und durch die unglückliche Art und Weise von Adolf Michel Junior den Betrieb zu leiten, musste die Fabrik wegen Arbeitsmangel geschlossen werden. Das Vorhaben von Adrian-Othmar Michel, den Betrieb zu erwerben, war in Grenchen geradezu ein willkommener Gedanke. Ende 1921 konnte Adrian-Othmar Michel – Friedrich die zu diesem Zeitpunkt wohl stillstehende Fabrik samt Grundstück von Adolf Michel auf eigene Rechnung übernehmen.

Als Bürgen für den von Adrian-Othmar Michel – Friedrich benötigen Kredit von 12‘000 Franken von der Spar-& Kreditkasse Suhrental in Schöftland traten Adolf Michel, Vater, Walter Roth – Michel (Schwiegersohn von Adolf Michel) sowie der örtliche Spenglermeister Robert Hunziker ein. Am 5. November 1924 wurde ein weiterer Kreditvertrag abgeschlossen.

Frisch gestärkt konnte nun der Betrieb 1925 erneut offiziell die Arbeit aufnehmen und die „Adrian Michel, Ebauches et Finissages, in Walde“ war gegründet. Man widmete sich vorerst wieder dem bekannten Handwerk der Uhrenrohwerke. Darunter versteht man Uhrwerke ohne Unruhe und Feder, also ohne das „Tictac“. Aber auch komplette Uhren wurden hergestellt.

Anbau 1929 und Hermine
Bau des ersten Nebengebäudes 1929, diente als Materiallager, Waschküche und Autowerkstatt. Im Obergeschoss des Hauptgebäudes waren zusätzliche Fenster eingebaut worden. Davor steht Hermine Michel [Foto: Adrian Michel]
P1040548 Adrien Michel 10 Jahre Roskopfverband 1949
Inserat aus der Zeitschrift zu 10 Jahre Roskopf-Verband: 1939–1949
1951 100 Jahre Uhrenindustrie Grenchen Anzeige Adrien Michel P1030355
Ganzseitiges Inserat aus der Zeitschrift „100 Jahre Uhrenindustrie Grenchen“ von 1951

Das Kerngeschäft der Ebauches-Produktion wurde nach und nach verlassen und mit anderen Artikeln ersetzt, bei denen die Stanz- und Fräsmaschinen eingesetzt werden konnten.

Der Stammbaum dieses „Michel-Zweiges“ mit Bezug zur Filiale Walde ist nachfolgend aus Sicht von Adrian Othmar Michel – zwei Generationen Vorfahren, eine Generation  Nachfahrend – dargestellt. Heute noch lebende Personen sind nicht dargestellt.

Stammbaum Michel Walde
Auszug aus dem Stammbaum der Familie Michel [U. Roth]

fam.michel (f) 1950
Familie Michel von links nach rechts: Adrian Christian, Erna Michel – Brun, Hermine Michel – Friedrich, Adrian Othmar [Foto: Adrian Michel]
Adrian Michel AG Walde

Gemeinde Schmiedrued-Walde

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