

Im Sommer 1913 heiratete Walter Roth Aline Martha Michel. Das Hochzeitsfoto sehen sie hier https://amsagrenchen.com/adolf-michel-vater-1913-bis-1920/
Anlässlich der Hochzeit wurde der aktuelle Wohnort von Aline Martha mit La Chaux-de-Fonds angegeben. Offensichtlich arbeitete sie dort als Uhrmacherin, was auch durch einen Eintrag im Buch „Fabricants et Horlogers Loclois“ bestätigt wird. Walter Roth wird als Agent bezeichnet und dürfte für die bei Urs Joseph Roth beschriebene Versicherungsagentur der „Winterthur“ gearbeitet haben.
Vereine
Adolf Michel und W. Roth waren ab 1908 öfters gemeinsam in Kommissionen oder Organisationkomitees für Schützenfeste, wo sie sich wohl besser kennen lernten. Insbesondere ist dabei der Schützenclub Grenchen zu erwähnen.
Schützenclub Grenchen
1905, 20 jährig, trat Walter Roth dem Schützenclub bei, welcher 1898 von Adolf mitgegründet worden war. Zeitgleich war er ab 1905 Mitglied in der Offiziersgesellschaft Grenchen und dort 1918-1919 Präsident [50 Jahre Offiziersgesellschaft Grenchen 1895 – 1945].
Im Schützenklub war Walter Roth lange Zeit eine tragende Figur. Im Jahr 1908 bereits Schützenmeister, war er ab 1913 im Vorstand als Beisitzer, von 1922 bis 1925 auch als Präsident mitwirkend, danach wieder als Beisitzer.
Ab und zu wurde er auch als Delegierter für die Versammlung der Vereinigten Schützengesellschaft bestimmt. Diese Gesellschaft hatte zum Ziel ein Schützenhaus für alle schiessenden Vereine zu erstellen und zu betreiben.
Protokoll der Generalversammlung 15. Februar, Trakt. 10 Varia [Stadtarchiv Grenchen]: Der Präsident gibt bekannt, dass unser Ex-Präsident Walter Roth nun in die Reihe der Ehrenmitglieder nachrücke. Infolge Abwesenheit ist aber die Verabfolgung der Urkunde aufgespart worden. Er betont die grossen Verdienste unseres lieben Schützenkameraden, der das Steuer unseres Vereinsschiffchens unter den denkbar ungünstigsten Verhältnissen von seinem Vorgänger übernahm, & dessen uneigennütziger & energischer Führung es gelang, das Schiff aus den gefährlichen Stürmen in ruhiges Fahrwasser zu leiten. Nicht zuletzt ist es sein Verdienst, dass der Schützenklub heute wieder seine ihm zukommende Bedeutung erlangt hat. Die Versammlung applaudiert lebhaft.
Ranglisten von verschiedenen Schützenfesten lassen vermuten, dass Adolf Michel insgesamt der bessere Schütze gewesen ist als Hauptmann Roth. Im Januar 1920 schickte er trotzdem Walter Roth mit dem Auto nach Muttenz um für ein Festessen mindestens vier Enten zu schiessen. Dieses Essen musste Adolf Michel spendieren, weil er wieder Grossvater geworden war.
W. Roth setzte sich für minderbemittelte Kameraden ein und stellte öfters seinen Wagen, wie andere Fabrikanten, für die Fahrt zu den Schiessanlässen zur Verfügung. Eine lustige Episode dazu ist im Bericht vom 23. August 1925 zum Feldsektionsschiessen in Rüttenen festgehalten: Es ging gegen 8 Uhr, als endlich die Rangverkündigung vom Stapel gelassen werden konnte. Mit brausendem Hurrah und unter ohrenbetäubendem Bravo wurde der erste Kranz an die (neue) Fahne des Klubs geheftet. Was dann weiter bis Langendorf geschah, davon schweigt des Dichters Höflichkeit! In Selzach konnten wir selbstredend beim dicken Waltarius nicht vorbei, ohne seinen Wein versucht zu haben. Wer aber glaubt, es sei genug damit, wenn der Autler sich selber genug flüssigen Betriebsstoff zuführe, während der „Motorcharre“ leer ausgeht, der möge unseren Ex-Präsidenten über seine diesbezüglichen Erfahrungen auf der Heimfahrt von Selzach befragen.
1933 (mitten in der Krise) regt E.-M. Walter Roth die Gründung eines Reisefonds zur Unterstützung minderbemittelter Mitglieder an. Daraus wären speziell für Freiburg den in Frage kommenden Mitgliedern kleinere Beiträge zur Entlastung ihrer Kasse zu entrichten. Er zeichnet selbst als erster einen namhaften Beitrag, & erklärt sich bereit, in Verbindung mit dem Kassier den Reisefonds durch angehen unserer Ehrenmitglieder und Gönner zu äufnen. Die Versammlung verdankt ihm diese kameradschaftliche Geste aufs wärmste. [Stadtarchiv Grenchen, Schützenclub Grenchen, Abschriften aus handschriftlichen Protokollen]
Musikverein Helvetia Grenchen
Es ist nicht bekannt, welches Instrument Walter Roth im Musikverein gespielt hat. In der Festschrift „75 jähriges Jubiläum des Musikvereins Helvetia Grenchen 1858 – 1933“ [Stadtarchiv Grenchen] wird er als Gönner und Ehrenmitglied aufgeführt.

Nach der Heirat 1913 dürfte er in die Fabrik von Adolf Michel eingetreten sein. Er erlebte die Höhen und Tiefen der Wirtschaft und die Gründung der Ebauches SA mit. Ab 1928 wirkte er als Direktor der Ebauches-Holdingtochter A. Michel AG.



Die mächtige Krisenwelle, die Ende 1929 aus Amerika unsern Kontinent erreichte, war der Anfang einer fast zehnjährigen schweren wirtschaftlichen Erschütterung, die unserem Land weit über 100‘000 und dem Kanton Solothurn über 5‘000 Ganz- und Teilarbeitslose brachte. Die Uhrenindustrie wurde besonders hart getroffen, und Gemeinden wie Grenchen und Welschenrohr, die beinahe ausschliesslich auf sie angewiesen sind, sahen sich vor Probleme gestellt, die schier unlösbar schienen. Zuerst konnte die Arbeitslosenversicherung die grösste Not mildern. Die Versicherung befand sich jedoch in den Anfängen und konnte gemäss den gesetzlichen Bestimmungen nur mit kleinen Taggeldern und nur während kurzer Jahresabschnitte beistehen. Es mussten Notstandsarbeiten durchgeführt werden, um die Arbeitslosen zu beschäftigen [800 Jahr-Feier Welschenrohr, Seite 238].
Die Gemeinde Grenchen führte deshalb für Arbeitslose und Teilarbeitslose grössere Bauprojekte, Weiterbildungs- und Umschulungskurse durch.
Die Firma Michel, obwohl Teil der Ebauches SA, versuchte offenbar mit reduzierten Preisen Kunden, vor allem in Deutschland zu gewinnen. Unzählige Firmen in Pforzheim waren Abnehmer von Werken für Armbanduhren. Dazu gehörten Otto Epple, Gerl & Schipper, German Sickinger, Kaspar & Co., Kollmar & Jourdan, PARA, Raisch – Wössner KG, Rodi & Wienenberger, Weber & Aeschbach, aber auch die Gebr. Breuning in Hanau sowie Keller & Co. in Frankfurt. Anfangs der dreissiger Jahre beschäftigte die A. Michel nach wie vor 850 Mitarbeiter. Aber hatte dafür auch einen grossen Lagerbestand. Im Vergleich dazu beschäftige die Felsa um die 80 Mitarbeiter, die Rohwerkfabrik ASSA zählte 900 Beschäftigte.

Walter Roth hat wohl versucht möglichst viele Mitarbeiter weiter zu beschäftigen. Ein Ende der wirtschaftlichen Krise war aber nicht abzusehen, die Verantwortung war gross, sein Verantwortungsgefühl gegenüber den Angestellten hoch. Was auch die Gründe waren, Walter Roth beging an diesem unglücklichen 8. Oktober 1934 Tag Suizid.
Nachrufe
Gestern Abend ging die Trauerbotschaft wie ein Lauffeuer durch die Ortschaft, dass der allgemein beliebte und geachtete Direktor der Ebauchesfabrik Michel A.G., Herr Walter Roth-Michel im Alter von 50 Jahren plötzlich aus dem Leben geschieden sei. Herr Direktor Roth hat Aufstieg und Niedergang der Uhrenindustrie und sich als Leiter eines Grossunternehmens grosse Verdienste erworben. Leider konnte sich die Uhrenindustrie durch die permanente Exportkrise in keiner Weise mehr entwickeln und die einstige Wohlhabenheit wurde immer mehr zur Leidenszeit, so dass auch die Stellung eines Fabrikdirektors im Vergleich zu derjenigen eines Arbeitslosen keineswegs mehr beneidenswert war, und je länger je mehr zur Verzweiflung führen musste. Direktor W. Roth war als Verwaltungshauptmann ein eifriger Förderer des Schiesswesens sowie der Unteroffiziers- wie der Offiziersvereinsbestrebungen. Auch die übrigen Vereine werden in ihm einen tatkräftigen Mitarbeiter und Gönner verlieren. Als Freund und Gast war er überall willkommen, denn er war ein lebhafter Gesellschafter und blieb mit Vorliebe unter seinen Freunden, wo er die Alltagssorgen immer wieder zerstreuen konnte. Die Familie wird ihn als Gatte und Vater nur schwer vermissen können, und wir sprechen den so schwer geprüften Hinterlassenen unser innigstes Beileid aus. [Zentralbibliothek Solothurn, Zeitung, Lokales 9. Oktober 1934]
Kremation von Direktor Walter Roth sel. Am Donnerstagvormittag (11. Oktober 1934) um elf Uhr, fanden sich im Solothurner Krematorium trotz der stillen Kremation zahlreiche Freunde und Bekannte des Verstorbenen ein. Aber nicht nur Freunde und Verwandte, sondern auch Delegationen von Vereinen mit Fahnen und eine Gruppe Pfadfinder, dessen Präsident der Verstorbene war, sowie industrielle Abgeordnete. Die religiöse Abdankung hielt der christkatholische Pfarrer Herr Moeri aus Grenchen, während der frühere evangelische-reformierte Seelsorger aus Grenchen, Herr Pfarrer Müller aus Bern, im Namen der Vereine und als Freund das Wort ergriff. Nach den Trauerreden verschwand der Sarg bei Orgelklang in die Tiefe. In Grenchen fand noch eine kirchliche Abdankung statt. [Zentralbibliothek Solothurn, Lokales, Samstag, 13. Oktober 1934]
Der Tod von Walter Roth hatte für die Familie einschneidende Konsequenzen. Zu jener Zeit distanzierten sich viele Freunde und Bekannte von der Familie, Suizid war ein Tabuthema. Zu alldem gab es offenbar finanzielle Probleme. Die Direktorenvilla an der Däderizstrasse musste verkauft werden. Immerhin erhielt Aline Martha Roth-Michel von der Ebauches SA ein kleine Rente, wahrscheinlich wenig genug zum Überleben. Ein Glücksfall war immerhin, dass die Familie nun einen Teil der Villa Bello an der Gibelstrasse 22 bewohnen durfte. Die Familie Bello-Michel wohnte zu jener Zeit in Milano oder Como. Im Adressbuch der Städte Solothurn und Grenchen 1940 – 1942 sind die Bewohner wie folgt vermerkt: Marta Roth-Michel, Uhrmacherin; Daisy Roth, Bureaulistin; Hans Roth, Uhrentechniker; sowie 6 Mitglieder der Familie Lisinski.
Von da an sind es von der Ebauches SA ernannte Direktoren, die die Michel AG nach der schweren Krise der Dreissigerjahre weiterführen. Obwohl noch einige fortschrittliche Entwicklungen gemacht wurden (z.B. Bidynator) wurde die Firma bald zum Zubehörhersteller „degradiert“. Es war kein Patron mehr da, welche die Interessen der alten Firma vertreten hätte. 1985 wird die Firma als Teil der Ebauches SA in Swatch Group integriert. 2008 wird die nun im Automobilbereich tätige Tochter an die Ferton Holding SA in Delsberg verkauft.
Aline Martha Roth-Michel starb 1940 in Grenchen. Offenbar litt sie an Diabetes und war fast erblindet.


1940 war bereits der 2. Weltkrieg im vollen Gang. Die Zeitungen waren gefüllt mit Informationen über den Verlauf. Dazu kamen auch Massnahmen im Inland. Nachstehend: Unser täglich Brot

Trotz alldem wurde doch noch ein bisschen Humor gepflegt:
