Villa Adolf Michel, Däderizstrasse 61 sowie Oekonomiegebäude, Däderizstrasse63
Die herrschaftliche Villa wurde um 1895 von Baumeister Felix Jecker für Jean Schwarzentrub und Hulda Grünberg erbaut.
Die tiefer stehende Fabrik an der Schützengasse beeinträchtigt die Villa und den davor liegenden Garten noch nicht. Links hinter der Villa ist der erste Wagenschuppen (Baugesuch 14/1914) ersichtlich. Die Zufahrt erfolgte von der Schützengasse her (rechts am Rande des Gartens), da es keine Verbindung zur Däderizstrasse gab.
Baugesuch 14/1914: Wagenschuppen hinter der Villa
Geplant und erbaut wurde dieses kleine Gebäude von der Firma Felix Jecker Söhne.
Umbau der Villa geplant von Emil Altenburger (Solothurn) für Adolf Michel und gebaut durch Baumeister Stoppa, Grenchen (Baugesuche 1917 und 1918)
Aus: Die Schweizerische Baukunst, Band 12, Heft 9 (1920) und Broschüre „Emil Altenburger, Architekt, Solothurn.
„Emil Altenburger ist in der schweizerischen Architektenwelt schon längst kein Unbekannter mehr, in scharfer Konkurrenz wurde ihm vor wenigen Jahren für den Gesamtbebauungsplan der Stadt Biel mit Vororten der dritte Preis zuerkannt, während er in Solothurn für den Bau kommunaler Wohnungen auf dem Dilitschareal am besten abschnitt und die Bebauung des Areals mit 56 Wohnungen in Auftrag erhielt.“ – „Die dortigen [Grenchner] Uhrenfabrikanten, welche als Spezialität die während den Kriegszeiten so gesuchte billige Uhr herstellen, hatten in den vergangenen Jahren gute Geschäftsrenditen. Dieser Faktor war nicht ohne Einfluss auf die architektonische Gestaltung des Dorfes. Mancher Fabrikant konnte sich ein neues, komfortables Wohnhaus errichten oder sein altes Heim modernisieren lassen. Diesem Geiste verdankt Grenchen eine ganze Reihe von prächtigen Bauten, an deren Erstellung Architekt Altenburger ganz hervorragenden Anteil hat.“
Baugesuch 1917 Wintergarten (BG 29/1917): Aus dem vorstehenden Text könnte geschlossen werden, dass das Wohnhaus in einem einzigen Schritt umgebaut wurde. Dies ist aber nicht so. Mit dem ersten Baugesuch von 1917 wurde der oben erwähnte Wintergarten verwirklicht. Dies hatte einige Anpassungen im Bereich der Küche und des Esszimmers zur Folge.

Bauetappe 9 (BG 4/1918): Oekonomiegebäude
Adolf Michel reichte im Januar 1918 das Baugesuch für ein Oekonomiegebäude östlich von seinem Wohnhaus ein. Das Grundstück, auf welchem später auch der neue Ostflügel der Fabrik zu stehen kam, erwarb er im November 1917 von Beda Gallus. Für die Planung war wie beim Wintergarten Emil Altenburger, Solothurn, beauftragt.
Das Gebäude war nur im südlichen Teil unterkellert (Pflanzen, Heizung, Keller). Das Erdgeschoss enthielt auf der Nordseite die Stallungen für drei Pferde und die Wagenremise. Auf der Südseite befanden sich zwei Autogaragen, Waschküche und Glätterei. Im Dachgeschoss befanden sich die Heudiele, ein Zimmer für einen Knecht und eine Wohnung mit Küche, Esszimmer, Toilette, einem Schlaf- und einem Wohnzimmer. Ein Brunnen bei den Stallungen und ein Hühnerhof waren im Baugesuch ebenso enthalten.



Baugesuch April 1918 (BG 33/1918): Aufstockung der Villa
Der erneut von Emil Altenburger geplante Umbau des Wohnhauses hatte zum Ziel, den Dachstock zu erhöhen, um zwei Zimmer für Angestellte und einen Estrich zu erhalten. Aus meiner Sicht war das ästhetisch aber kein Gewinn, wohl schon eher von Nützlichkeit geprägt.
Es scheint, dass die Gebäude im Hintergrund wegretouchiert wurden.



Die Fassade wurde mit vielen, heute noch vorhandenen Details geschmückt. Nachstehend einige Fotos von Rebekka Meier, Grenchen.
Nachstehend einige Bilder mit der Ausstattung aus dem Innern der Villa von 1919 [E. Altenburger] :
Die zwei kleinen Bilder links sind im Wintergarten aufgenommen. Die versenkbaren Fenster im Wintergarten sind fest eingebauten Fenstern gewichen. Das Mobiliar ist nicht mehr vorhanden. Das rechte Bild oben ist die innere Ecke im Salon. Unten sind zwei Bilder des Badezimmers im Obergeschoss zu sehen. .
Die Decken wurden mit Skulturschmuck von Bildhauer Otto Kappeler (∗1884 – †1949), Zürich, verschönert.
Verschiedenen glücklichen Umständen ist es zu zuschreiben, dass die Holzeinbauten und der Skulpturschmuck an Decken und Wänden noch lückenlos vorhanden sind.
Oben Bilder der Deckenskulptur im Wintergarten [Fotos: Rebekka Meier]
Foto links Wandschmuck im Salon, Foto oben rechts Detail über dem Buffet im Speisezimmer, Foto rechts unten Deckenrosette im Musikzimmer [Fotos: André Weyermann — az Solothurner Zeitung, September 2017].
Nussbaumausstattung im Speisezimmer
Das Speisezimmer wurde aufwendig mit Nussbaumtäfer und Schnitzereien ausgestattet.
Nussbaumdetails von Buffet, Decke und Wand [Fotos: Rebekka Meier]
Wandmalereien
2014 durfte das Kunstmuseum Olten sämtliche überlieferten Wandbildentwürfe des Solothurner Künstlers Otto Morach als Geschenk von Hugo Stüdeli, dem Neffen und Nachlassverwalters Morachs, entgegennehmen.
In Zusammenhang mit der erstmaligen Präsentation dieses Materials Anfang 2016 in einer Ausstellung im Kunstmuseum Olten ist es der Kuratorin Katja Herlach mit Unterstützung von Rebekka Meier und Urs Roth gelungen, einige der Gouachen und Aquarelle als Entwürfe für die Ausstattung der Villa Michel an der Däderizstrasse in Grenchen zu identifizieren.
Otto Morach (∗1887 – †1973) gehört zu den bedeutendsten Vertretern der Schweizer Moderne. 1908 schloss Morach seine Matura ab und studierte anschliessend Sekundarlehrer. Neben dem Studium besuchte er die Kunstgewerbeschule in Bern. Schon mit 20 Jahren kam er durch Cuno Amiet zur Farbe. Im Winter 1912/1913 arbeitete er im Atelierhaus „La Ruche“ in Paris und dann schon bald als Maler und Lehrer in Solothurn (1914–1918) [Wikipedia].
Ins Jahr 1918 fällt offenbar auch ein Auftrag von Adolf Michel und dessen Architekten Emil Altenburger, Entwürfe für Wandmalereien zur Verschönerung des im Umbau begriffenen Einfamilienhauses zu entwerfen. Einige der Entwürfe können auf Grund der baulichen Randbedingungen (Fenster und Türen) und handschriftlicher Notizen klar zugeordnet werden. Dies betrifft unter anderem die nachstehenden Entwürfe für Wandmalereien im neu erstellten Wintergarten [Kunstmuseum Olten, Nachlass Otto Morach]. Nachstehend einige Abbildungen aus dem Nachlass:
Die Arbeiten zogen sich sehr in die Länge, was Otto Morach offenbar ziemlich geärgert hat. Jedenfalls ist dies aus einigen Briefen erkennbar [Nachlass Otto Morach, Solothurn; Zusammenstellung und Transkription Katja Herlach, Kunstmuseum Olten]:
„Gemalt hab ich noch nichts seitdem ich heim kam – sondern immer noch für die bewussten Zimmer und Vorraum u Fassadenbemalungen gearbeitet. Es ist dabei viel Gescherr und wenig Wolle. D.h. viel Arbeit im Vergleich zum Geldverdienen. Von allen Sachen immer zuerst verschiedene Skizzen dem Bauherr vorlegen etc etc. Hingegen lerne ich sehr viel dabei und aus dem Grund mach ich es auch und hab auch neue Sachen übernommen. Entwürfe für Giebelfelder. – wahrscheinlich noch eine Veranda ausmalen. Ein bisschen unangenehm ist an der Sache das Gefühl ausgenutzt zu werden – aber die Bauherren sagen sich eben wenn es nicht viel kostet lassen wir diesen Luxus machen und sonst lassen wir es bleiben und ich sage mir schliesslich – ist eine Lehrzeit für mich.“ (Datierung: Sommer 1918)“
„Salut. Ich bin am 20 nicht bereit für den Tessin. Ich hab immer noch in Grenchen zu tun. Es gibt immer aus allen möglichen Gründen Unterbrechungen. Und weil Gipser, Schreiner, Centralheizungsarbeiter etc ihre Sachen zum Teil immer abändern, muss ich auch meine Skizzen oft ändern. Jetzt hätt ich grad für eine Woche nichts zu tun, aber dann noch einmal und ich kann gar keine genaue Zeit angeben werde ich in 14 Tagen in 3 Wochen oder erst später fertig sein, von heut weg gerechnet. Fällt wohl die Tessinfahrt ins Wasser.“ (Datierung: 19.9.1918?)
„Salut. Ich muss meinen letzten Brief als Havasmeldung [? Havas = franz. Werbeagentur] rückgängig machen, das soll heissen als nicht den Tatsachen entsprechend erklären. Nämlich ich kann nicht am 15–20 Nov. in Willigen anrücken, jetzt haben wir schon den 5. und ich werd vorläufig in dem gottverdammten Grenchen nicht fertig.“ (Datierung: 5.11.1918?)
„Es ist eine Sauerei mit Grenchen. Ich kann unmöglich voraus wissen, wann ich dort fertig werde. Wenn es nur von mir abhängen würde, d. h. wenn ich die Sachen bei mir daheim machen könnte, so wäre ich in 14 Tagen wohl mit allem fertig. Aber so muss ich einmal warten bis der Gipser seine Sache gemacht hat, ein anderes mal bis der Bauherr meine Entwürfe begutachtet hat. etc etc so dass ich oft in einer Woche nur 1–2 Mal eine paar Stunden zum arbeiten komme und jetzt kam noch der Streik [Generalstreik: in Grenchen 12.–14.11.1918] dazwischen. Vielleicht wäre ich anfangs Dez. fertig – aber dann müsste das Wetter gut sein und nichts mehr dazwischen kommen – aber das ist nicht wahrscheinlich.“ (Datierung: November 1918?)
„Salut. Morgen werde ich vorläufig in Grenchen abbrechen, was ich noch machen sollte ist aussen am Haus und beim neuen Fahrplan und den kurzen Tagen und auch bei der nicht mehr grossen Wärme vergeht mir noch die letzte Lust. Ich will jetzt endlich auch wieder ein wenig für mich arbeiten.“ (Datierung: 6.12.1918?)
Offenbar wurde später aber entschieden, in den Präsentationsräumen massive Einbaumöbel und Stofftapeten einzusetzen und keinen der Entwürfe von Otto Morach zu verwenden!
Ein Entwurf kann auf Grund der Gebäudeformen der Fassade beim Veranda-Ausgang gegenüber der Fabrik zugeordnet werden:
Auf einem alten Foto mit Adolf Michel hoch zu Ross kann auf der rechten Seitenwand des Veranda-Ausgangs ein Hirsch erkannt werden. Adolf Michel war ein passionierter Jäger und Schütze. Die äusseren Wände in der Veranda wurden also wohl von Otto Morach gestaltet, später aber überstrichen.
Zentrale Entstaubungsanlage
Anfangs des 20igsten Jahrhunderts kamen die sogenannten Entstaubungsanlagen auf. Die ersten Anlagen waren auf fahrbaren Wagen aufgebaut, deren Besitzer von Haus zu Haus „auf die Stör“ gingen und nach Auftrag entstaubten. Doch die technische Entwicklung führte bald zu fest eingebauten zentralen Entstaubungsanlagen. Für den modernen Staubsauger war die Zeit noch nicht reif. Eine solche zentrale Entstaubungsanlage wurde offenbar auch in der Villa Michel eingebaut. Die nötigen Rohranschlüsse auf den Etagen sind heute noch vorhanden. Diese Technik hat also wohl über mehrere Jahrzehnte im Einsatz gestanden.
Moderne Entftau6ungsanlagen in der Schweiz
Von Max Hottinger, Ingenieur in Winterthur.
9totwendigfeit der Saugluft-Entstaubung.
Die Luft ist ein notwendiges Nahrungsmittel des Menschen; bedarf doch ein Erwachsener täglich 9 bis 10 m3 ober rund 12 kg derselben zur Atmung. Von einem Nahrungsmittel verlangen wir Kulturmenschen mit Recht, dass es rein, gut und unserer Gesundheit zuträglich sei. Bei der Luft muss diese Bedingung insbesonders hinsichtlich des Staubgehalts erfüllt fein, da Staub nicht nur die Atmungsorgane und Stimmbänder störend beeinflussen kann, sondern auch durch die in ihm enthaltenen Krankheitskeime gefährlich ist…..Auch Teppichklopfmaschinen und dergleichen Vorrichtungen bieten nur einseitige und unzulängliche Abhilfe. Nun bat aber die Technik auch auf diesem Gebiete wie in so vielen anderen Lagen des täglichen Lebens ihr segensreiches Wirken entfaltet und im Dienste der Hygiene und Kultur Saug- und Pressluft-Entstaubungsanlagen geschaffen, mit deren Hilfe aller Staub sogar aus den dichtesten Geweben und verborgensten Ecken heraus von jedem Dienstboten leicht, gründlich und ohne jede Gefahr abgesaugt, weggeführt und vernichtet werden kann. [Die Schweizerische Baukunst, Band 1, Heft 15 (1909)]
Links Stationäre Vakuum-Cleaner-Anlage, Patent Booth, in einer Villa am 3ürichsee
Baugesuch 1919 [BG 46/1919]: Wagenschuppen
Ende 1919 erhielt Adolf Michel die Baubewilligung für eine neue Wagenremise nördlich der Villa Michel. Diese bot Platz für zwei Fahrzeuge. Als Planer wurde das „Baubüro der A. Michel A.G.“ und als Baumeister ebenfalls die „A. Michel A.G.“ genannt.
Der neue Wagenschuppen diente als Ersatz des bisherigen Schuppens, welcher kurz vorher zur Fabrik hinunter versetzt wurde (siehe Bauetappe 10 der Fabrik).
Im Liegenschaftsinventar der A. Michel A.G. von 1941 wird das Gebäude allerdings als Kohlenschuppen bezeichnet.
Das Ensemble
[Foto: E. Altenburger]
Nach dem überraschenden Hinschied von Adolf Michel Senior am 21. Februar 1928 wurde nach einer Neuparzellierung (insbesondere Vergrösserung der Parzelle 4937 von Walter Roth-Michel) die Parzelle 4994 mit der Villa von der Erbin Maria Michel -Hammelbacher an die A. Michel AG weitergegeben.
Baugesuch 1930 [BG 4/1930]: Umbau Einfamilienhaus in Mehrfamilienhaus
Um aus der Familienvilla ein Wohnhaus mit zwei frei zugängliche Wohnungen und Dachgeschoss zu erstellen, wurde der bisherige, nördliche Hauptzugang aufgehoben, die Treppe ins 1. Obergeschoss ausgebaut und die Kellertreppe zugemauert. Der bereits bestehende Zugang auf der Ostseite wurde durch einen Anbau zu einem vollwertigen Treppenhaus erweitert. Damit konnte im Erdgeschoss das bestehende WC zu einem Bad vergrössert und ein zusätzliches Zimmer geschaffen werden. Im 1. Stock konnte ein zusätzliches Zimmer gewonnen werden. Zudem wurde eine Küche in ein bestehendes Zimmer eingebaut. So entstanden zwei fünf Zimmerwohnungen.
********************