Ab 1908 begann Adolf Michel bäuerlich genutzte, schmale Landstreifen westlich der Fabrik zu erwerben. Mit dem vierten Kauf im Jahr 1911 hatte er die ersten vier parallel zu seinem Grundstück verlaufenden „Hosenträger“ im Umfang von 3’300 m2 in seinem Besitz.
BAUETAPPEN
Nachstehend werden die einzelnen Bauetappen der Fabrik in Grenchen beschrieben.

Auf dem obenstehenden Situationsplan sind die Bauetappen der Fabrik mit den Nummern 1 bis 13 bezeichnet. Die Bauetappe 9, das Oekonomiegebäude, sowie die Gebäude Däderizstrasse 59 und 61 werden im Kapitel der Villa Michel beschrieben.
Link zum Kapitel Villa Michel: Villa Michel, Däderiz
Bauetappe 1: Zustand beim Kauf durch Adolf Michel
Adolf Michel übernahm 1904 einen zweigeschossigen Satteldachbau, welcher ursprünglich mit einem Gasmotor betrieben wurde. Auf der Westseite war danach bereits eine Erweiterung mit einem Maschinenhaus mit Petrolmotor und Transmission entstanden.
Bauetappe 2: Westliche Erweiterung
1910 erfolgte die erste Erweiterung des Gebäudes 536 Richtung Westen mit Kellergeschoss, drei Atelierstockwerken/Bureaus und Estrich. Hinter der Fabrik wurde der erste, einfache Wagenschuppen aus Holz gebaut. Baumeister war Josef Wyss.
Erschlossen wurden die Etagen durch das im bestehenden Gebäude rechts vorhandene Treppenhaus. Der Zugang zum Estrich erfolgte mittels einer Wendeltreppe ab dem 2. Obergeschoss.
Bauetappe 3: Portieranlage
Auf der Südseite vor dem bestehenden Eingang, auf obigem Foto halb links, wurde 1913 eine Portieranlage erstellt. Planer und Baumeister war Felix Jeker Söhne.
Das ursprüngliche Gebäude 536 wird 1915 um ein Stockwerk aufgestockt und ist damit in etwa gleich hoch wie die Erweiterung von 1910. In der östlichen Estrichseite wurde eine Wohnung für den Abwart eingebaut. Für den Bau des 3. Stockes musste unter anderem die Decke über dem 2. Stock verstärkt werden. Vom Regierungsrat werden bereits spezielle Bedingungen gestellt, die der Gebäudesicherheit, der Personensicherheit und –gesundheit dienen, unter anderem: „5. Die Fussböden sind aus leicht zu reinigendem Material und möglichst fugenlos herzustellen. Zur Verhütung einer Uebertragung der Tuberkulose sind einige zweckmässig konstruierte Spucknäpfe aufzustellen“. Planer und Baumeister war wiederum Felix Jeker Söhne.
Die Grundrisse sind von Norden her gesehen! Im zweiten Stock sind die Verstärkungen zwischen Decke und Aussenwänden erkennbar.
Bauetappe 5: Die C-förmige Erweiterung (ersetzt durch Neubau 1956-1957)
Bereits im Dezember 1915 wird das nächste Baugesuch eingereicht. Die ursprünglich rechtwinklig zum bisherigen Gebäude 536 vorgesehene Lage wird leicht geändert, so dass die Fabrik nun entlang der Baulinie der vorgesehenen neuen Strasse, der heutigen Blumenrainstrasse, erstellt wird. Entlang der Schützengasse werden wie beim bisherigen Gebäude ein Keller sowie drei Stockwerke realisiert. Im Erdgeschoss wird die Décolletage, im 2. Stock ein Pignonsaal vorgesehen.
Das Gebäude fällt insbesondere durch den über das erste und das zweite Geschoss reichenden Erker und den schön gestalteten Eingangsbereich auf. Das nördliche, einstöckige Werkstattgebäude für die Mechanik wird im mittleren Bereich des Betondaches mit einem Glasoberlicht ausgestattet. Architekt war Alfons Rudolf, Selzach, und der Baumeister wieder Josef Wyss.
Bauetappe 6: Décolletage-Halle
Noch 1916 wird nord-westlich eine weitere einstöckige, nicht unterkellerte Halle mit Oberlicht (14 x 25m) für die Unterbringung der Décolletage gebaut (ersetzt durch Neubau 1956-1957). Die Decke wird aus Backsteinhohlkörpern mit armiertem Beton erstellt. Zur besseren Beleuchtung wird in der Mitte der 13 Meter breiten Halle ein Oberlicht erstellt. Auf der einige Monate vorher bewilligten Halle werden zwei Geschosse unter anderem für eine Garderobe mit den beachtlichen Massen von 9.00 x 13,50 m erstellt. Architekt war Alfons Rudolf, Selzach, und der Baumeister wieder Josef Wyss.
Fabrik Michel ca. 1917. Der hintere, mittlere Block war wohl eine Projektidee und wurde nie erstellt. Dafür entstand später rechts der Ostflügel mit dem Rundbau. Nachstehend eine reale Foto. [Beide Grenchner Stadtarchiv, Heimatsammlung Kohler]
Wohnbaracke für Bauarbeiter
An der Friedhofstrasse im Lingeriz und im Leisenmoos erwarb Adolf Michel 1916 entlang der Alten Landstrasse / Bachtelenstrasse / Bielstrasse drei weitere Parzellen von Felix Jecker Söhne im Umfang von 20‘800 m2. Rund 16‘000 m2 davon sind heute noch im Besitz der Fondation d’Ebauches S.A, Neuenburg. Für seine Bauarbeiter liess Adolf Michel 1918 auf dem Grundstück 3623 (gehört heute der Stadt Grenchen) eine provisorische, doppelstöckige Wohnbaracke, nur mit Wohnräumen und Abort erstellen. Verpflegt wurden die Bauarbeiter in der Fabrik. Ab diesem Zeitpunkt trat Adolf Michel als eigener Baumeister auf.
Situation 1918 und aktuell. Im Situationsplan von 1918 mit den Grundstücken 3623 – 3625 ist im unteren rechten Bereich die projektierte Wohnbaracke eingezeichnet. Für die Planung waren die Architekten Müller & Farge verantwortlich.

Für die Erweiterung Richtung Osten musste Adolf Michel zuerst die Parzelle 4456 von Beda Gallus erwerben (Kauf am 12.11.1917). Darauf stand das dreistöckige Gallus-Haus. Für den Abbruch und Wiederaufbau desselben im Gebiet Krähenberg (heute Weinbergstrasse 49) wurde von der Gemeinde Grenchen eine separate Baubewilligung erteilt.
Oben rechts Haus Beda Gallus, links ältester Teil der Fabrik Michel, im Vordergrund Bau der Stützmauer für die Überführung Friedhofstrasse [Grenchner Stadtarchiv, F005-277 Fialovitsch]




Der neue Ostflügel, geplant durch Müller & Farge Architekten, besticht durch einen monumentalen konkaven Verbindungsbau zum Gebäude der ersten Fabrik; mit Säulenstellung und offenem Segmentgiebel mit Uhr, flankiert von weiblicher und männlicher Figur (von Bildhauer Etienne Perincioli, Bern). Die Schaufassade von 1918 ist auf den Bahnhof Grenchen Nord der 1915 eröffneten Linie Lengnau-Münster ausgerichtet [INSA Inventar der neueren Schweizer Architektur].
Mit dieser zweiten Bahnlinie konnten nun täglich Tausende von Uhrenarbeitern nach Grenchen, direkt vor die Fabriken der A. Michel AG und auch der Fortis fahren. Vor allem mit den nördlich vom Grenchenberg gelegenen Juragebieten wurde damit ein zusätzliches Pendlergebiet erschlossen.
Auf dem linken Foto die Skulptur von E. Perincioli und rechts ein Detailausschnitt [Foto: Lorenz Perincioli]
Die Fassade zeigt wohlproportionierte Säulenstellungen und im offenen Segmentgiebel eine Uhr, die von einer männlichen und einer weiblichen Figur flankiert wird. Die Plastik wurde vom Berner Bildhauer Etienne Perincioli geschaffen. Die beiden naturalistischen Figuren gaben damals Anlass zu Diskussionen, weil sie da und dort als anstössig galten. Damit versieht Ad. Michel zum ersten Mal in der Geschichte der Zweckbauten eine Fassade mit einem Schmuck.
Untergeschoss: Garderoben, Toiletten, vertiefter Kohlenkeller mit Heizung
Erdgeschoss: Durchfahrt zum Hof, Garderoben, Toiletten, Portier, Techniker-Bureau, Mechanik, Magazin
1. OG und 2. OG.: Tournage, Persage, Visiteurs
3.OG: Terminage, Emboitage, Uhrenbureau, Cartonage
Dachstock : neue Wohnung für den Abwart und Dachraum
Als Besonderheit ist hervorzuheben, dass « automatische Spülclosets » vorgesehen wurden sowie zum ersten Mal in der Fabrik ein „elektr. Personen- und Warenaufzug, System Schindler“ eingebaut wurde.
Bauetappe 8: Aufstockung Mechanik
Die 1916 auf der Westseite erstellte Mechanik wird 1918 mit einer Erweiterung im ersten Stock versehen. Der ursprünglich als Garderobe vorgesehene Teil wird zur Polissage, der restliche Teil für die Steinmacherei vorgesehen. Die Hälfte des bisherigen Oberlichts über der Mechanik bleibt bestehen. Architekten sind Müller & Farge. Baumeister ist wieder die Ad. Michel.
Bauetappe 10: Versetzen Autogarage und Umnutzung als Werkstattgebäude (ersetzt durch Neubau 1956-1957)
Ende März 1919 reichte die A. Michel AG ein Baugesuch für das Versetzen der ehemaligen Autogarage, welche sich hinter der Villa Michel befand, ein. Dieser Wagenschuppen war erst 1914 entlang der Baulinie einer geplanten Erschliessungstrasse erstellt worden. Das Versetzen der Garage war übrigens nötig geworden, weil dadurch der Platz für die nördliche Zufahrt ab der Däderizstrasse zur Villa und für die neue Villa Roth frei gemacht werden konnte.
Die Versetzung, in Massivbauweise, und Umnutzung zur Werkstatt wurde aber bereits im Winter 1918/1919 realisiert, weshalb die Gemeinderats-Kommission beschloss, Strafanzeige zu machen (Signiert: E. Brunner, Bauverwalter und J. Knöpfli, Gemeindepolizist). Adolf Michel ging wohl alles etwas zu wenig schnell.
Bauetappe 11: Wohlfahrtsgebäude (ersetzt durch Neubau 1956-1957)
Die Fabrik und die Zahl der beschäftigten Mitarbeiter waren nun dermassen gewachsen, dass 1919 der Bau eines Wohlfahrtsgebäudes zur Verpflegung der nicht in Grenchen wohnhaften Mitarbeiter notwendig wurde. Im Hof wurde dafür ein eigenständiges Gebäude erstellt. Architekt war Hans Lehner, Rüdtligen (*1892 Alchenflüh – † 1948 Alchenflüh), Schwiegersohn der Schwester von Adolf Michel, Maria Elise [Quelle Paul Rohrer, Biel].
Das Gebäude war teilweise unterkellert mit Vorratskeller und Magazin. Im Erdgeschoss befanden sich Räume, die dem Fabrikbetrieb dienten wie Hätnerei, Schmiede, Holzkohlenlager, Putzerei, Stahlmagazin und eine Schreinerwerkstatt. Im 1. OG. befanden sich die für die Wohlfahrt benötigten Räume wie Vorratskammer, Küche, Esssaal sowie ein Esszimmer, wohl für die besser gestellten Mitarbeiter oder Chefs.
Bauetappe 12: Atelieranbau für Adoussiermaschine
Dieser Anbau von 1919 wurde am ersten Fabrikgebäude neben dem hinteren Gebäudeeingang erstellt und diente der Aufnahme einer grossen Feinschleifmaschine.
Mit dieser Bauetappe wird eine Phase der raschen Expansion abgeschlossen. Nach den Erweiterungen von 1919 blieben die Fabrikgebäude mit kleinen Ausnahmen also bis in die 50iger Jahre ohne wesentliche Umbauten erhalten. Adolf Michel hatte die Fabrikations- und Lagerflächen (Keller- und Arbeitsgeschosse) in den starken Jahren von 1910 bis 1919 um rund das 10-fache von 720 m2 auf 7327 m2 erweitert. Die Produktionsflächen in Grenchen wurden innert 15 Jahren von 1905 bis 1919 auf das 13-fache erhöht.
In Bruttoflächen ausgedrückt:
Kellerräume Produktion Estrich Total Prozent
Gebäude von 1905: 240 m2 480 m2 240 m2 960 m2 100%
Gebäude von 1919: 1043 m2 6228 m2 1152 m2 8423 m2 877%
Gebäude von 1928: 1043 m2 6284 m2 1152 m2 8479 m2 883%
in Prozent zu 1905: 435 % 1309 % 480 %
In diese Flächen sind die Fabrikationsstätten in Lamboing und Walde noch nicht enthalten.
Sicht von der Villa Michel in den Garten hinter der Fabrik. In der Mitte ist der gerundete Verbindungsbau der Fabrik erkennbar, 1920 [Foto aus dem „Catalogue général 19/20 Favoris Watch Co. A. Michel S.A. Grenchen (Suisse): Adrian Michel, Walde]
Bauetappe 13: Magazinanbau
Ende 1928 liess Walter Roth, Direktor, noch einen Anbau an die ehemalige Garage erstellen. Dieser diente zur Unterbringung von Fetten, Oelen, Petrol und Waschbenzin. Zusätzliche Vorschriften des Kantons sollten Explosionen verhindern und der Personensicherheit dienen.
Zum Schluss noch einmal ein Foto aus der Vogelschau:

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